Ich war schon ein paar Monate in Deutschland. Am Anfang kam es mir so vor, als wenn die Deutschen alle das gleiche Gesicht haben und sie alle gleich aussehen. Immer die gleiche Hautfarbe und die gleiche Haarfarbe. Und sie liefen auch so, dass es immer gleich schien. Erst nach einigen Wochen begann ich, sie zu unterscheiden. Ich bekam ein Gefühl dafür und dachte: „Ja, das ist der.“ Das ist dann schon eine Entwicklung.
Es wurde Winter. Die Nächte wurden immer länger und die Tage immer kürzer. Und dann kam die Zeitumstellung. Und ich wusste gar nichts davon. Dann war es 8 Uhr und ich ging von 7 Uhr aus. Es war schwer für mich, all das richtig zu erfassen. Schwer war auch, ein Gefühl für die Leute zu entwickeln, und zu verstehen, wie sie sich verhalten und reagieren.
Eines Tages machte ich den Briefkasten auf und fand in ihm vier Briefe. Drei waren für meine Kollegen in der Asylunterkunft und einer für mich. Ich öffnete den Brief. Das Schreiben war ein hochoffizieller Brief von der Stadt Siegen. Schon dieser Absender regte mich sehr auf. „Was ist denn jetzt los?“, dachte ich. „Warum sind es nur vier Briefe? Wir sind doch 12. Es wohnen doch 12 Leute aus Indien hier.“ Als ich meine Ruhe wiedergefunden hatte, begann ich, den Brief zu betrachten. Aber ich verstand nichts.
Daher ging ich los und kaufte ein Deutsch-Englisches Wörterbuch. Und ich begann, den Brief Wort für Wort zu übersetzen. Auch das ist mir nicht gelungen. Ich verstand nur, dass ich wegen einer wichtigen Sache am Montag um 8 Uhr im Rathaus Siegen erscheinen soll. Aber das genügte nicht und half mir nicht.
Die anderen drei Kollegen, die auch diesen Brief bekommen hatten, waren zu mir gekommen. Ich sah an ihren Gesichtern, dass sie sich Gedanken machten, warum sie den Brief überhaupt bekommen hätten. Wir waren alle aufgeregt und fragten uns, warum nur wir diesen Brief bekommen hätten und nicht die anderen in der Unterkunft.
Wer könnte uns helfen? Es war schon Freitag Nachmittag. Deshalb konnten wir nicht den Anwalt kontaktieren. Und das Ausländeramt war schon seit 12 Uhr geschlossen. Am Montag früh sollten wir aber schon im Rathaus erscheinen.
Und wir begannen zu flüstern. Es kann sein, dass dieser Brief uns nur ins Rathaus locken soll. Nicht, dass wir dann abgeschoben werden, wenn wir darauf eingehen. Mmm, da veränderte sich unsere Gesichtsfarbe. Was machen wir, wenn das so ist, dass wir abgeschoben werden sollen? „Ja, Europa ist groß,“ sagte einer. „Ich lass mich nicht mehr erwischen. Wenn hier etwas passiert, verschwinde ich in ein anderes Land. Ich will nicht nach Indien.“
Die anderen Inder im Haus hatten die Aufregung bemerkt und kamen jetzt auch dazu. Einer wusste, dass zwei Inder in Frankfurt so einen ähnlichen Brief bekommen haben. Als die um 8 Uhr da waren, haben die Handschellen an ihren Armen geklackt. Und dann sind sie mitgenommen und weggebracht worden.
Da haben wir vier noch mehr Angst bekommen und uns gefragt: „Was machen wir jetzt überhaupt?“ Einer sagte: „Ich rufe einen Bekannten von mir an. Der ist in Mainz.“ Und er verschwand in den Flur, wo ein Münztelefon hing, und machte den Anruf. Als er wieder kam, berichtete er: „Ja, in Mainz, meinte mein Kollege, dauert es mindestens 3 Jahre mit dem Asylverfahren. So schnell geht das nicht. Ihr seid doch nur 3 Monate hier.“ Ein anderer sagte: „Mein Schwager wohnt in Frankreich. Er hat dort Arbeit gefunden. Frankreich ist doch viel größer als Deutschland. Man kann auch da hin gehen.“ Und zwei andere sagten: „Es besteht auch die Möglichkeit, nach Holland zu gehen.“
Wir vier hörten gespannt zu. Ich wollte es jedoch nicht nach außen zeigen, wie beunruhigt auch ich war. Und doch fragte ich mich: „Was passiert mit mir?“ Der Tag ging dahin und alle wurden immer unruhiger. Jeder hatte nur noch Gedanken für die Frage, was mit uns geschehen sollte.
Ein Kollege kam später zu mir in mein Zimmer und fragte: „Was soll ich denn machen? Ich gehe nicht nach Indien zurück. Das ist Fakt. Ich war zuerst in Russland. Da bin ich durch den Schnee gelaufen und Schlepper haben mich in die Tschechoslowakei gebracht. Dort habe ich tagelang am Bahnhof geschlafen. Ich musste betteln, um Geld zu bekommen und etwas zu essen kaufen zu können.“ „Ich gehe nicht zurück,“ sagte er nochmals. „Meine Eltern sind seit sieben Jahren tot. Ich habe eine große Schwester, die in England wohnt. Wenn ich da hin will, kostet das etwa 1000 Mark. Wo soll ich die denn her bekommen? Ich könnte Taxi fahren wie mein Bruder in Jalandapur. Aber was verdient man denn da? Das Taxi muss man leihen und die Hälfte der Einnahmen dafür als Provision abgeben. Das habe ich früher auch gemacht. Aber davon kann ich nichts sparen, um weiter zu kommen. Eine Tante von mir, die eine Freundin meiner Mutter war, die hat ihre Goldstücke verkauft. Das Geld dafür hat sie mir gegeben, damit ich nach Deutschland kommen kann. Wenn die mich zurückschicken, gehe ich nicht nach Hause zurück. Ich gehe nach Neu Delhi und lasse mich nie wieder in Punjab blicken. Sie sollen nicht sagen: Da ist der Versager. Er ist wieder da.“
In einem anderen Zimmer wohnte ein anderer Inder. Er hat gerne getrunken. Der bemerkte auch die Aufregung, die entstanden war. Er kam in mein Zimmer und hatte eine Wodka-Flasche in der Hand. Und sagte: „Ja, komm, mach dir nicht so viele Gedanken. Wir trinken ein klein bisschen.“ Und er hat komisch gelacht. Normalerweise öffnet man den Mund, wenn man lacht. Aber seine Zähne waren zusammengepresst und der Mund zu. Man konnte überhaupt nicht genau feststellen, ob er normal lacht, ob er uns Mut geben will oder ob er uns auslacht. Und der, der ein Taxi gefahren hat, stand auf. Er war ein typischer Taxifahrer und trank sowieso gerne. Er ging an den Schrank und holte vier Gläser heraus. Und sogar ein Paket Erdnüsse brachte er mit. Ich war erstaunt, wie schnell das alles ging und die Gläser herbei kamen. Und der mit der Flasche lachte und füllte jedes Glas halb mit Wodka. Zur Überprüfung stellte er alle vier Gläser in eine Reihe und kniff ein Auge zu. Damit stellte er fest, ob alle gleichmäßig gefüllt waren. Wenn ein Glas voller war als die anderen, glich er es aus. „Wir trinken fair,“ bemerkte er dazu und schaute mich dabei an.
Ich nahm dann auch ein Glas Wodka in die Hand. Die anderen legten die Erdnüsse auf einen Teller. Und ich nahm den ersten Schluck Wodka meines Lebens. Es war ein wirklich großer Schluck. Mein ganzer Körper schüttelte sich von Kopf bis Fuß. Ich hatte das Gefühl, dass aus meinem Ohr Qualm entwich. Ich nahm sofort die Erdnüsse, warf sie in meinen Mund hinein und fing an zu kauen. Meine ganze Körperbehaarung stand nach oben. Es war so, als wenn ich voll unter Strom stand.
Und dann fingen alle an, sich zu unterhalten. Sofort nach dem ersten Glas Wodka änderten sich die Stimmen und die Sprache. Und dann, als wir kaum mit dem ersten Glas fertig waren, kippte der eine nochmals Wodka in die Gläser und forderte die anderen auf: „Trinkt alle mit!“
Ich trank auch das zweite Glas Wodka mit. Und alle begannen, noch lauter miteinander zu reden. Die, die früher so ängstlich wie Hasen geflüstert hatten, fauchten auf einmal wie Tiger. Laut und furchtlos wurden sie. Nach dem zweiten Glas kam es mir vor, dass ich in Nebel schaue.
Noch zwei kamen in das Zimmer. Die hatten eine Flasche Bier in der Hand. Sie bemühten sich, den Vieren Mut zu machen: „Es ist doch nicht schlimm. Ich habe noch Verwandtschaft in Europa.“ Ein anderer sagte: „Wir bekommen das irgendwie hin. Wir müssen überlegen, wie wir eine Lösung finden.
Ich hörte mir das alles an, was sie von sich gaben. Und ich zeigte nicht, dass ich auch Angst hatte. Ich wollte mich nicht bloß stellen und es nicht zeigen. Ich wollte ihnen vermitteln, dass ich stärker bin als die anderen. Aber im Hinterkopf hatte ich Angst. Insbesondere fürchtete ich, zu versagen: „Wenn ich abgeschoben werde, dann sagen meine Verwandten und meine Eltern: Siehst du, der hat den großen Macker gemacht. Er meinte, er ist etwas Besonderes. Aber eigentlich hat er es hier nicht geschafft und er schafft es auch im Ausland nicht.“
In dieser gedanklichen Verfassung schüttete noch ein Glas Wodka in mich hinein. Dieses dritte Glas war mir schon zu viel. Die anderen fingen an zu lallen. Ich konnte nicht mehr verstehen, worüber sie miteinander redeten. Einer begann Essen zu servieren und ich begann zu essen. Später konnte ich mich nur noch daran erinnern, dass es eine Linsensuppe war. Dann bin ich einfach, wo ich saß, umgerollt und wusste gar nicht mehr, wo ich war.
Am nächsten Tag wachte ich morgens früh auf. Mein Hals war sehr trocken und ich bekam kaum Luft. In meinem Mund spürte ich einen bitteren Geschmack. Ich hatte so ein Gefühl, wie wenn man mehrere Tage die Zähne nicht geputzt hat. Ich spürte ein Tonnengewicht auf meinem Kopf. Der Weg zum Badezimmer fiel mir schwer. Und mein Körper schmerzte, als wenn einer mich mit einem Stock geschlagen hätte.
Im Badezimmer angekommen wusch ich mein Gesicht mit warmem Wasser. Ich spülte meine Augen mit Wasser, damit ich überhaupt erst richtig wach wurde. Als ich in den Spiegel schaute, waren meine Augen geschwollen. Ich sah meinen Drei-Tage-Bart und dachte: „Ich bin in einem Tag zehn Jahre älter geworden.“ Und wieder wusch ich mein Gesicht, ging unter die Dusche bis ich endliche das Badezimmer verließ. Und wieder legte ich mich hin. Der andere, der den Wodka mitgebracht hatte, schnarchte noch laut. Der ganz Raum war erfüllt von seinem Schnarchen.
Ich konnte nicht wieder einschlafen und schlich mich in die Küche, um mir einen Tee zu machen. Und ich braute einen ganz besonderen Tee mit viel Milch, vier Löffeln losen Tee und einer Schüppe Zucker. Davon machte ich eine ganz große Tasse. Als sie vor mir stand, fing ich an, davon zu nippen. Der Tee war so stark, dass meine Kopfschmerzen langsam nachließen.
Und dann überlegte ich. Es war Sonntag. Ich hatte noch einen Tag, um einen Plan zu machen. Und Ich dachte nach, wie ich diese Kuh vom Eis bringen konnte. Es gibt ein indisches Sprichwort, das besagt: „Die Schlange sollte sterben, ohne dass der Stock zerbricht.“ „Wie mache ich das also?“, fragte ich mich.
Nach und nach wachten die Kollegen auch auf. Meine Mutter hätte gesagt, dass ihre Gesichter aussahen wie ein kaputter Schuh. So zerknittert und verbeult waren ihre Minen. Sie begannen, Essen zu machen. Und so verging der Tag und es wurde langsam Abend.
In meinem Kopf bildete sich eine Idee. Wie wäre es, wenn ein anderer mit einem Brief der Vieren zum Rathaus geht und sich dort erkundigt. Er sollte in Zimmer Nummer 101 gehen und fragen: „Was ist das? Worum geht es?“ Und, wenn sie dann antworten: „Schick den, an den der Brief gerichtet ist. Er muss persönlich kommen.“ Dann wäre es wohl so, dass der abgeschoben werden soll. Sie werden ja nicht den Falschen abschieben – nicht den, der mit dem Brief gekommen ist. Wenn das so kommt, dann könnten wir einen anderen Schritt überlegen und schnell abhauen.
So habe ich alle zusammengetrommelt und es ihnen erklärt. „Findet ihr das gut? Wer würde mit meinem Brief zum Rathaus losgehen?“ Alle schauten mich erstaunt an und keiner gab Antwort. Keiner wollte es offensichtlich machen. Dabei war ich doch immer bereit gewesen, den anderen zu helfen. Und ich fragte sie einen nach dem anderen. „Willst du? Willst du?“ Alle lehnten ab und schüttelten mit dem Kopf. Keiner wollte in die Höhle des Löwen. Jeder hatte natürlich Angst davor.
So stand ich wieder ganz am Anfang. Und ich musste weiter überlegen. „Das sind doch die gleichen Kollegen, die ich kenne. Gestern haben sie Wodka getrunken und rumgebrüllt wie ein riesiger Löwe, was man alles machen könnte. Und jetzt benehmen sie sich wie ein Hase. Was ist mit ihnen nur passiert? Im Endeffekt bleiben wir vier übrig, die die Briefe bekommen haben. Meine Idee ist gescheitert und ich stehe wieder bei Null. Ich habe nur die Möglichkeit, dass einer von uns mit einem Brief dahin geht und die anderen sich in der Nähe verstecken. Damit, wenn dem einen etwas passiert, die anderen darauf reagieren können. Sie können versteckt beobachten. So ist nur einer das Opfer, falls sie uns abschieben wollen. Die anderen könnten dann schnell dem Anwalt Bescheid sagen und eine Lösung suchen.“
Alle drei schauten mich mit großen Augen an. Ihre Blicke wurden immer intensiver. Und ich begann zu verstehen: „Aha, du musst dich opfern. Es will sonst keiner.“ Und ich erklärte mich bereit dazu, weil es wohl nicht anders möglich war. Und ich dachte: „Was kann mir passieren? Ich habe denen bei der Stadt nur eine Kopie von meinem Pass gegeben. Sie haben meinen eigentlichen Pass nicht. Und der Anwalt hat mir gesagt, dass sie mich ohne einen gültigen Pass nicht nach Indien deportieren können.“ Und so war es beschossen.
Am Montag Morgen nahmen wir einen Bus und fuhren alle vier nach Siegen. Jeder hielt den Brief in seiner Hand. In der Nähe des Rathauses stand eine riesige Kirche. Ich ließ die anderen drei hinter dieser Kirche geschützt Position beziehen. Und ich sagte: „Ihr müsst den Eingang vom Rathaus beobachten. Wenn ich wieder herauskomme und die Polizei bei mir ist, dann ruft meinen Anwalt an oder fahrt gleich dort hin.“ Ich beschrieb ihnen, wo die Anwaltskanzlei war, und gab ihnen eine Visitenkarte des Anwalts. Dann verabschiedete ich mich von ihnen.
So ging ich Schritt für Schritt zum Rathaus und bewegte mich zum Zimmer 101. Unterwegs überlegte ich: „Besser ich gehe in Zimmer 109. Die Zahlen 101 und 109 sehen ja ähnlich aus. Und dann zeige ich dort den Brief und frage, was der soll. Und, wenn mir der Mann dort alles erklärt, merke ich ja schon, was in 101 los ist. Und, wenn es gefährlich sein sollte, dann bin ich schnell weg.“
Und so ging ich einfach nach 109 und drückte dem Herrn dort den Brief in die Hand und fragte ihn auf Englisch: „Sieh mal hier, ich habe diesen Brief erhalten.“ Und der schaute ihn an, las den Brief und meinte: „Ich bin nicht zuständig dafür.“ Ich sollte zu 101. Das sagte er ganz trocken. Ich blieb stehen, aber der schaute mich nicht mehr an, sondern wies mich mit der Hand nach draußen und zu 101.
Ich war also genauso weit wie vorher. Da fiel mir auf, dass vor 101 mehrere Leute standen. „Es kann ja sein, dass mehrere Leute abgeschoben werden,“ dachte ich. „Jeder hat den gleichen Brief in seiner Hand.“ Einen, der draußen stand, fragte ich auf Englisch: „Wofür ist der Brief?“ Aber der verstand mich nicht und ich konnte ja kein Deutsch. Der andere zuckte nur mit den Schultern. Ich sagte mir: „Ich bleibe jetzt einfach draußen stehen und dränge mich nicht vor. Ich stelle mich etwas in den Hintergrund, um zu beobachten, wie es weiter geht.“
Auf einmal trat eine junge deutsche Frau vor die Tür. Alle sollten ihre Briefe abgeben. Auch ich händigte ihr meinen Brief aus. Zugleich schaute ich mich um. Da war keine Polizei und da war keine Security. Normalerweise sollte nichts geschehen. Da war ich mir jetzt sicher. Einige Minuten später, während ich wartete, kam die selbe junge Frau wieder heraus. Sie lud uns alle ein, ihr zu folgen. Wir liefen wie eine Schafherde hinter dieser Frau her. Es ging die Treppe hinunter in einen großen Raum. Alle gingen hinein. Ich fand einen Platz an der Tür. Ich dachte: „Wenn du fliehen musst, dann bist du der erste, der aus der Tür hinaus ist.“
Die junge Frau begann, in Deutsch zu reden. Dann brach sie erstaunt ab. Die Leute schienen sie nicht richtig zu verstehen. Und sie fragte, ob sie in Englisch reden sollte. Und viele antworteten erleichtert mit „Yes“, „Yes“.
So fing sie an, in Englisch zu sprechen. Auch nach 30 Jahren kann ich mich noch an ihre Worte erinnern. Sie sagte: „My name is Kati Horn.“ Kati ist ein typischer deutscher Name und „Horn“ heißt in Englisch „Hupe“. So konnte ich sich für immer an sie erinnern. Und sie fuhr fort: „I am a German language teacher. You can learn German language from me.“ Und sie fragte, wer Interesse hätte, Deutsch zu lernen. „Ihr seid angeschrieben worden, weil ihr Interesse gezeigt habt, Deutsch zu lernen.
Ich holte tief Luft. Ich war so erleichtert und wunderte mich, dass ich mir so viele Gedanken gemacht hatte. Ich war so erleichtert und bekam überhaupt keine Luft mehr. So glücklich fühlte ich mich.
Und die junge Frau erklärte weiter: „Ihr müsst keine Bücher kaufen und auch keinen Kuli. Ihr müsst nur kommen. Hier gebe ich euch ein Formular. Schreibt euren Namen und eure Adresse und euer Geburtsdatum auf. Da unten steht, dass ihr einverstanden seid, an einem Sprachkurs teilzunehmen.“
Ich lief nach vorne, nahm mir schnell ein Formular und füllte es aus. Als ich meine Daten abgab, fragte ich sie in Englisch: „Ich habe auch andere Kollegen, die diesen Brief bekommen haben. Die habe ich auf dem Weg hierhin verloren. Vielleicht suchen sie noch das Zimmer. Sie verstehen das nicht, dass sie auch an der Schule teilnehmen sollen.“ Deshalb gab sie mir noch ein Papier. Darauf stand die Adresse von der Schule und die Busnummer und, wie man aus Eiserfeld zu der Schule kam. Es gab sogar eine gemalte Karte, wie man vom Bahnhof aus zu der Schule gelangen konnte.
Ich war erleichtert. Und ich schaute sie an und fragte, ob ich gehen könne. Und sie antwortete: „See you next week at 9 a.m. on Monday!“ Ich war so erleichtert. Ich lief schnell weg wie ein Hund, der richtig Angst hat. Der kneift seinen Schwanz zwischen die Hinterbeine. So war ich weggelaufen. Ich wollte nicht lachen, damit die Leute mich nicht für verrückt halten. Ich dachte an das Sprichwort: „Man versetzt einen Berg und am Ende kommt eine Maus heraus. Sonst war nichts darin.“ So war es.
Nachdem alles so glücklich ausgegangen war, wollte ich meine Kollegen hinter der Kirche informieren. Als ich dort ankam, schaute ich mich um und suchte sie auch in den Nebenstraßen. Meine Kollegen waren verschwunden. Erst nach einiger Zeit entdeckte ich weiter weg einen Haarschopf, den ich kannte, ganz in einer Ecke. Als ich dort ankam, trat einer meiner Kollegen heraus. „Ihr solltet doch hinter der Mauer warten. Warum seid ihr weggegangen?“, hielt ich ihm entgegen. Und der erklärte, warum sie sich weiter zurückgezogen hätten. Falls ich mit der Polizei heraus käme, hätte ich sie vielleicht verraten. Und dann wären sie auch zum Opfer gefallen. Deshalb haben sie sich weiter hinten versteckt. Sie wären aber trotzdem zum Anwalt gegangen, falls ich abgeholt worden wäre.
Ich regte mich gewaltig auf und zog sie verärgert zur Rechenschaft. „Ihr seid keine Freunde mehr!“, stieß ich hervor. „Ihr seid Freunde, wenn man Wodka trinkt und sich unterhält. Das ist so eine Sauerei. Ich habe mich bereit erklärt, dort hineinzugehen und ihr lauft hinter meinem Rücken weg. Ich mache für euch gar nichts mehr. Ihr werdet sehen. Nächstes Mal geht jeder alleine zum Arzt. Ich lese keinen Brief mehr für euch.“
Ich ärgerte mich dermaßen, dass ich mich von ihnen trennte. Ich wollte nicht mehr mit ihnen zusammen leben und mein Bett aus ihrem Zimmer nehmen. Jetzt wollte ich für mich alleine leben. Ich ging weg und lief alleine zur Bushaltestelle. „Was sind das für Menschen? Man kann sich nicht auf sie verlassen. Sie opfern einen einfach und denken ganz egoistisch nur an sich selber.“ Das war für mich unfassbar.
So, meine Freunde, das war es. Ich bedanke mich, dass ihr mir zugehört habt. Ich entschuldige mich für mein gebrochenes Deutsch. Diese Geschichten sind meine Lebensgeschichten. Sie sind voller Emotionen für mich. Da gerät mein Deutsch durcheinander und ich kann sie nicht wie sonst in ganz normalen Worte fassen.