Im Gartenhaus

An diesem Abend ging ich früh ins Bett und war dann am nächsten Morgen früh aufgewacht. Ich stand auf und kochte Tee. Auch meinen Kollegen gab ich je eine Tasse. Wir kochten gemeinsam Mittag und dann fuhr ich, ohne ihnen etwas dazu zu sagen, nach Siegen. Ich wollte ihnen nicht mitteilen, welchen Termin ich hatte und wollte pünktlich um 15 Uhr, wie die Chefin mir gesagt hatte, dort sein.

Um 14 Uhr kam ich schon im Weidenau-Zentrum an. Wie immer stand ich staunend vor den Schaufenstern und genoss in meiner Phantasie die schönen Sachen. Pünktlich um 15 Uhr stand ich vor dem Restaurant. Kaum war ich an der Tür, kam der Chef mit seiner Frau nach draußen. Und der Chef sagte: „Meine Frau hat mir von dir erzählt und wir haben uns darüber unterhalten. Am 30. April machen wir den Garten auf. Dann haben wir auf jeden Fall Arbeit für dich. Dann stellen wir draußen viele Stühle und Tische auf. Du musst das dann alles sauber machen und auch in der Küche arbeiten. Wir bezahlen 10 Mark die Stunde.“ Als ich das hörte, war ich richtig glücklich und freute mich in meinem Herzen, dass ich 10 Mark die Stunde bekommen sollte.

Weil ich sicher sein wollte, fragte ich noch einmal: „30. April. Wie viel Uhr soll ich vorbeikommen?“ Zugleich berechnete ich, dass es noch zwei Wochen wäre bis dahin. Der Chef grinste und meinte: „Okay, du kommst einige Tage vorher und ich sage dir dann, wann du genau anfangen kannst.“ Und ich fragte nochmals: „Versprochen?“ „Ja, versprochen!“ antwortete er amüsiert. Seine Frau, die daneben stand, lachte auch darüber.

Ich begann im Kopf zu rechnen: „Wenn ich nur 5 Stunden arbeite, verdiene ich schon 50 Mark. Bei dem Chinesen habe ich 10 bis 12 Stunden gearbeitet und dann habe ich erst 50 Mark bekommen.“ Das machte mich überaus froh. Und so nahm ich den Bus und fuhr nach Hause.

Jetzt zog ich es wirklich in Betracht, meinen Kollegen zu erklären, dass ich im 30. April mit einer guten Arbeit in einem anderen Restaurant wieder anfangen konnte. Allerdings hatte ich schon gehört, dass schon viele beim Chinesen nach Arbeit gefragt haben, nachdem sie von mir erfahren hatten, dass ich dort arbeite. Ich fürchtete, dass jemand jetzt zu meinem neuen Restaurant geht und anbietet: „Ich arbeite nicht für 10 Mark, ich tue es auch für weniger.“ So dachte ich: „Ich sage niemandem, was ich gefunden habe.“ Es ist sowieso noch nicht ganz fest.

Als ich nach Hause kam, war keiner meiner Kollegen anwesend. So steckte ich die Kassette eines berühmten Sängers, Gurdas Maan, in den Recorder und setzte mich hin. Ich schlürfte meinen Tee und hörte die Musik. Ich war wieder motiviert, mein Leben nach vorne zu bringen. Und ich fasste wieder Mut, mein Leben in den Griff zu bekommen und wieder Geld zu verdienen. Ein Weiser hat ganz richtig gesagt: „Wenn eine Tür zugeht, dann macht Gott eine andere Tür auf. Man darf aber nicht den Mut verlieren, sondern muss immer wieder kämpfen.“ Ich entschied mich fest: „Egal, was passiert, ich muss arbeiten und Geld verdienen.“ Meine ganze Familie in Indien schaut auch auf mich und hat sehr große Erwartungen. Denen zeige ich, dass ich alles alleine schaffen kann. „Ich gehe nicht mit leeren Händen nach Indien zurück.“

Mit diesen Gedanken, begann ich zu kochen. Der Abend war schon angebrochen und meine Kollegen trudelten langsam zuhause ein. Sie redeten laut durcheinander und ich bemerkte, dass sie etwas getrunken hatten.

Jeden Tag wartete ich, dass ich endlich anfangen kann, zu arbeiten. Alle paar Tage ging ich einfach nach Weidenau. Und ich sah bei dem Restaurant nach, ob sie vielleicht schon draußen Stühle hingestellt hätten und etwas früher draußen anfangen. Sobald die Stühle dort stehen, wollte ich ihn fragen.

Fünf Tage vorher sah ich einen mit einer blauen Latzhose am Restaurant arbeiten. Er stellte die Schirme raus, ölte deren Mechanik und säuberte sie. Die kaputten Schirme reparierte er oder tauschte sie gegen neue aus. Eine Stunde stand ich da und beobachtete ihn. Da war ich ziemlich sicher, dass das Gartenhaus in einigen Tagen öffnen wird und ich dann sicherlich Arbeit habe.
Zwei Tage später schaute ich wieder nach, wie die Sache steht im Restaurant. Um die Mittagszeit sah ich dort, wie der Chef und seine Frau die Stühle aufstellten. Sobald ich sie bemerkte, ging ich zu ihnen hin. „Guten Tag, habt ihr mich erkannt?“ sprach ich sie an. Ich musste mich wirklich wundern. Sogar meinen Namen wusste der Chef noch. „Ja, du bist der Singh.“

Ohne weiter zu fragen, nahm ich der Frau den Stuhl aus der Hand und begann, selber die Stühle aufzustellen. Dabei folgte ich dem Schema, mit dem sie begonnen hatten. Auch aus dem Keller holte ich die restlichen Stühle und machte sie sauber. Auf einmal hörte ich ein riesiges Geschrei im Keller. Schnell lief ich dort hin. Die Frau vom Chef stand vollkommen verängstigt in einer Ecke und richtete sich auf wie eine Kobra. Ich fragte sie auf Englisch, was passiert sei. Und sie zeigte mit ihrem Finger auf den Boden. Dort entdeckte ich eine Spinne. Ich lachte und packte entschlossen die Spinne mit der Hand und schmiss sie nach draußen.

Dann fuhr ich mit den Stühlen fort. Ich wollte ihnen zeigen, wie gut ich arbeiten kann. Sie konnten mir kaum mit den Augen folgen. Als der Chef und die Chefin erkannten, dass ich selbstständig gut arbeiten kann, setzten sie sich auf die Terrasse und begannen, Bier zu trinken. Mir schickten sie eine Kellnerin, die mich fragen sollte, was ich trinken wolle. Ich bestellte eine Cola und freute mich. Schließlich standen die Tische alle an der vorgesehenen Stelle und die Stühle in Reih und Glied an ihrem Ort. Da entdeckte ich einen Wasserschlauch. „Soll ich das alles damit abwaschen?“ fragte ich den Chef. „Ja, mach mal, antwortete er.“ Da begann ich alles mit dem Wasserschlauch zu waschen. Fast vier Stunden hab ich so gearbeitet.

Als ich mit allem fertig war, habe ich dem Chef noch Tschüss gesagt und wollte schon gehen. Aber dann fragte ich noch einmal: „Chef, 30. April, wie viel Uhr?“ „14 Uhr,“ antwortete er und: „Deine Aufgabe ist, jeden Tag die Stühle sauber zu machen und dann später in der Küche zu arbeiten.“ Als ich mich dann nochmals verabschiedete sagte er: „Moment, junger Mann, warte!“ Und er machte sein Portemonnaie auf und gab mir 50 Mark. Ich meinte: „Das ist doch zu viel.“ Und er entgegnete: „Nein, du hast dafür gearbeitet.“ Ich bedankte mich und war sehr glücklich, dass ich so schnell 50 Mark verdienen konnte. Und ich dachte: „Wenn ich zuhause geblieben wäre, hätte ich dieses Geld nicht verdient. Es ist doch gut, wenn man rausgeht und sich bemüht.“

Der 30. war ein Freitag. Wie besprochen, war ich pünktlich da. Ich machte die Tische sauber und begann dann in der Küche zu arbeiten. Die Küche war viel sauberer als die chinesische Küche. Es gab hier sogar eine große Spülmaschine. So eine Maschine hatte ich noch nie bedient. Der Koch erklärte mir ganz in Ruhe, wie man mit dieser Maschine umgeht. So etwas hatte ich zum ersten Mal gesehen. Er zeigte mir, wie man die verschiedenen Teller und das Besteck auf Körbe packt. Die schiebt man dann in die Maschine und macht sie zu. Eine kurze Zeit läuft das Programm der Maschine und, wenn sie fertig ist, ist das Geschirr sogar schon fast trocken. Es gab zwei Ständer. Auf einem kann man vorbereiten, was in die Maschine soll.

Der Koch zeigte mir auch eine Kammer und sagte: „Hier ist Wasser und anderes.“ Wenn ich etwas trinken wollte, konnte ich es mir einfach holen. Wenn ich Bier möchte, müsste ich draußen Bescheid sagen. „Drei, vier Bier kannst du trinken – mehr nicht!“ Dabei lachte er. Dann fing ich an zu arbeiten. Zuerst war es schwierig, die Teller richtig aufzustellen. Als der Koch das merkte, zeigte er es mir noch einmal.

Schon vorher hatte ich dem Koch gesagt, dass mein Bus um 10 nach 11 abfährt. Um 11 Uhr muss ich also auf jeden Fall gehen. Um 10 Uhr 30 wurde es schon weniger und ich konnte pünktlich gehen. Am nächsten Tag pünktlich um 2 Uhr war ich wieder da.

Mir fiel auf, dass der Koch wirklich fleißig war. Wenn er die Pfannen in der Hand hielt und die Töpfe, arbeitete er ziemlich schnell. An diesem Tag nahm er mich auch mit in den Keller. Auf der linken Seite gab es Toiletten für die Besucher. Daneben war ein großes Kühlhaus eingebaut. Dort waren Kartons gelagert mit Fleisch, Gemüse und Käse. Auch in einem anderen Keller lagen viele Vorräte für den Koch. Er erklärte mir, dass ich die Zutaten von hier schnell holen soll, wenn er sie braucht.

Zwei weitere dunkle Räume zeigte er mir. Dort lagen mehrere Sorten Wein in Regalen. Es waren hunderte Flaschen in verschiedenen Farben. Mir fiel auf, dass dort eine kleine Couch stand und ein Tisch.

Ich bemerkte auch, dass der Chef meistens abends kam. Dann unterhielt er sich mit den schönen Mädchen. Wenn sie hübsche junge Mädchen waren, versuchte er, sie an der Schulter zu berühren oder ihnen den Hintern zu streicheln. Der Koch machte mich darauf aufmerksam. Wenn der Chef die Mädchen anbaggerte, gab er mir ein Zeichen, zeigte in die Richtung und lachte dabei.
Dieser Koch war ein leidenschaftlicher Koch. Alles gab er genau auf den Punkt in die Töpfe. Es gab Feuer in der Pfanne. Wenn er die Teller auffüllte, achtete er darauf, dass sie richtig sauber waren. Wenn es auch nur eine kleine Verunreinigung gab, putzte er die Teller noch einmal richtig sauber. Für mich war er schon kein Koch mehr, sondern ein Künstler. So dekorierte er auch die Teller mit dem Essen wie ein richtiger Künstler.

Mit der Zeit merkte ich, dass er Spanier war. Er sprach mit einem Akzent. Wenn man ihm etwas fragte, und er es nicht verstand, sagte er immer: „Bitte was?“ Die Deutschen sagen doch eigentlich: „Wie bitte?“ Ich war ja nicht lange im Sprachkurs. Aber meine deutsche Lehrerin hatte mir beigebracht, dass ich „Wie bitte?“ fragen soll, wenn ich etwas nicht verstanden habe.

Beim Chinesen gab es ja nichts zu trinken. Deshalb habe ich mich gar nicht getraut, nach etwas zu fragen. Aber, wenn die Kellnerinnen, die draußen arbeiteten, fragten sie Hosé, ob er etwas wolle. Und mich fragten sie dann auch. Und ich sagte „Cola“ oder „Wasser“ und sie brachten es mir auch.
Die Arbeit war sehr viel. Trotzdem machte es mir Spaß. Das Meiste war Freitag, Samstag, Sonntag. Da war sehr viel los. Draußen als Kellnerinnen arbeiteten sehr viele Mädchen. Es waren sehr schöne Mädchen. Sie hatten bunte Klamotten an, unterhielten sich manchmal und lachten dabei laut und herzlich. Das hat mir auch gut gefallen. Diese Mädchen waren so hübsch, dass man sie nicht anfassen wollte, damit sie nicht schmutzig davon werden.

Ab und zu beobachtete ich den Chef, was er mit ihnen machte. Am Wochenende, wenn viele Mädchen da waren, war auch er immer da. Es hatte dann immer Gelegenheit, sich mit ihnen zu unterhalten und sie anzufassen. Bei manchen versuchte er, die Hand zu halten. Einem Mädchen sagte er in der Küche, sie solle morgen nicht mit langer Hose, sondern mit einer kurzen Hose kommen. Und tatsächlich kam sie dann mit einer kurzen weißen Hose. Ich habe sie immer noch in Erinnerung. Sie kam mit ihrer kurzen Hose und, wenn der Chef schaute, wackelte sie immer mit dem Hintern. Und sie lief so, dass der Chef immer hinter ihr her sah, bis sie außer Sichtweite war. Dabei streichelte er dann immer seinen Schnauzer.

Meist stand der Chef auf einem Holzpodest und beobachtete sie alle. Wie ein Jäger auf der Lauer stand er da und schaute, wen er heute jagen könnte. Nachdem ich mir das angesehen hatte, war ich dann wieder beschäftigt mit meinen Tellern und Gläsern, Tassen und Löffeln. Die Maschine ratterte die ganze Zeit.

Meine Geschwindigkeit an der Spülmaschine nahm zu. Die Arbeit war viel, aber es machte mir trotzdem Spaß. Wenn Hosé sagte, dass er etwas aus dem Kühlhaus brauchte, lief ich nach unten. Ich spülte alles, was anfiel, putzte die Kochplatten sauber am Ende, machte Folie über die Schalen und hielt alles in Ordnung. Die Zeit ging schnell vorbei. Ich war auch gar nicht so müde wie zu der Zeit, als ich im chinesischen Restaurant gearbeitet hatte.

Hier sah ich lachende schöne Gesichter. Das war anders als die Frau, die immer ein Steingesicht zeigte, wo überhaupt keine Mimik zu sehen war. Wenn ich nach draußen schaute, standen da viele junge Menschen, Mädchen und Jungs. Sie hielten ein großes Glas Bier in der Hand, unterhielten sich und lachten. Es sah für mich so aus, als würden sie jeden Tag eine Hochzeit feiern.

Was mir besonders gefiel war, dass das restliche Essen, das zurück kam, alles in einen Mülleimer geworfen wurde. Es wurde nicht verwahrt und wieder aufgewärmt. Hier gab es vier verschiedene Mülleimer. Es gab einen für das Glas, einen für Papier, einen für Plastik und einen, wo der Restmüll hinein gekippt wurde. Der Koch und auch der Chef kontrollierten, ob alles richtig sortiert wurde.

Die, die draußen arbeiteten, waren meistens junge Leute. Wenn sie ankamen, kamen sie schon richtig glücklich auf ihre Arbeit. Sie arbeiteten leidenschaftlich gerne. Zuerst kamen sie in die Küche, sagten dem Koch und mir „Hallo“ und begannen dann zu arbeiten. Wenn sie Feierabend machten, kamen sie wieder in die Küche, um sich von uns zu verabschieden oder „Tschüss“ zu sagen. Sie waren so freundlich, dass sie mir sogar geholfen haben, wenn sie sahen, dass ich viel zu tun hatte. Dann haben sie den Müll von den Tellern selber in den Mülleimer geworfen und die Teller in den Spülkorb gestellt. Oder sie sortierten die Teller, wenn sie schon sauber waren.

Langsam ging der Monat zu Ende. Der Chef gab mir einen Umschlag mit Geld. Als ich ihn öffnete, traute ich meinen Augen nicht und konnte es gar nicht fassen, dass man so viel Geld verdienen kann, wenn man eine 5-Tege-Woche gearbeitet hat. 1.400 Mark habe ich bekommen. Als ich die Scheine zählte, bekam ich richtig Lust, „Hurra“ zu schreien.

Vor dem Beginn meiner Arbeit ging ich gerne im Weidenau-Zentrum eine Stunde herum. Dort habe ich auch nach Hause telefoniert. Damals 1991/92 konnte man nur von einer Telefonzelle aus nach Indien telefonieren. Bei der Telekom musste man dafür eine Karte kaufen. Es gab sie für 25 Mark oder für 50 Mark. Mit einer 50-Mark-Karte kann man höchstens 20 Minuten telefonieren. Kaum hatte man etwas gesprochen, machte es „Klack“ und die Karte war leer – einfach leer. Deshalb habe ich immer vorher überlegt, was ich sagen wollte. Aber meistens klappte das nicht richtig.

Am Häufigsten telefonierte ich mit meiner älteren Schwester. Wir waren vier Geschwister zuhause, aber diese ältere Schwester mochte ich besonders. Und sie hat auch immer darauf gewartet, dass ich sie anrufe. Immer wieder telefonierte ich mit ihr, wenn ich Sorgen hatte. Und, wenn ich einen Rat brauchte, rief ich meine Schwester an und fragte sie um Rat. Sie hat mich dann sehr ernsthaft angehört und auch einen richtigen Rat gegeben.

In Indien ging ich noch in die Schule, als sie schon verheiratet war. Wenn ich sie dann besuchen wollte, nahm ich das Fahrrad und fuhr zu ihr nach Hause. Meine Schwester hatte immer eine Frau, die in ihrem Haushalt mit arbeitete. Sie kam morgens früh mit dem Fahrrad zu ihnen und gegen 7 Uhr fuhr sie dann wieder nach Hause. Sie hieß Puschbar. Sie war etwas älter als ich. Besonders fiel mir ihre pechschwarze Hautfarbe auf. Sie arbeitete schnell und war ziemlich robust – oder dick mit anderen Worten. Als ich bei meiner Schwester war und sie schwer zu tragen hatte, bekam ich immer Mitleid mit ihr. Deshalb half ich ihr öfters. Und sie hat sich darüber richtig gefreut, dass ihr wenigstens Einer half. Und ab und zu, wenn meine Schwester und mein Schwager nicht da waren und wir alleine im Hause waren, saß sie bei mir. Und sie hat mir aus ihrem Leben erzählt. Als sie erfuhr, dass ich nach Deutschland gehen wollte, meinte sie: „Mit wem soll ich denn reden, wenn du weg bist? Bei dir kann ich doch etwas mein Herz öffnen. Mit dir habe ich immer eine sehr freundschaftliche Verbindung gehabt.“

Wenn ich nun aus Deutschland anrief und mit meiner Schwester sprechen wollte, ging die Puschba ans Telefon. Und Puschba begann von ihrem Zuhause zu erzählen und von ihren Sorgen. Ich konnte es ihr einfach nicht sagen, dass es sehr viel kostete, wenn ich anrufe. Ich wollte sie nicht beleidigen oder verärgern. Sie erzählte auch von ihrem Mann, der nicht richtig arbeitete und keine gute Stelle hatte. Und ich riet ihr, dass er sich unbedingt einen anderen Job suchen solle, damit sie etwas weniger arbeiten könnte. Das war für mich sehr teuer, weil es das Geld auf der Telefonkarte verbrauchte. Andererseits gefiel mir, wie ehrlich und einfach sie erzählte.

Sie sagte mir einmal, dass sie so genervt war von ihrem Mann Mangert, dass sie Lust hatte, einen Holzstock zu nehmen und ihn zu verprügeln. Und sie überlegte: „Wenn ich ihn verprügle, wer nimmt ihn dann mit zum Arzt? Ich muss ihn wieder mitnehmen und die Rechnung bezahlen. Und dann geht er einige Tage nicht arbeiten und wir haben noch weniger Geld. Das lasse ich lieber sein. Er kommt immer nachmittags nach hause. Aber anstatt noch eine Arbeit zu suchen oder zuhause etwas zu machen, spielt er mit seinen Freunden immer Karten.“ Uns sie erzählte und erzählte. Ich musste immer irgendetwas erfinden und sagen: „Ich habe jetzt keine Zeit. Ich muss gleich auf die Arbeit.“, damit ihre Erzählung irgendwann zu Ende geht. Und am Ende sind mir dann nur 2 Mark geblieben.

Einige Tage später rief ich wieder an in der Hoffnung, dass meine Schwester heute da sei. Aber, wie das Schicksal es will, nimmt die Puschba das Telefon ab und versuchte wieder etwas zu erzählen. Und auf einmal fragte sie: „Hast du eine Arbeit gefunden?“ Ich antwortete: „Ja, ich habe Arbeit gefunden.“ Sie meinte: „Du hast ja studiert. Für dich ist es gar nicht schwer, eine Arbeit zu finden.“ Und sie fragte mich nochmals: „Welche Arbeit machst du denn?“ Und ich sagte: „Ich arbeite in einem Restaurant.“ Und sie fragte nochmal: „Was machst du denn genau in dem Restaurant?“ Ich wollte sie nicht anlügen und antwortete: „Die gleiche Arbeit, die du bei meiner Schwester zuhause machst, die mache ich hier in der Küche. Das heißt: Ich spüle, putze und mache alles andere.“ Sie wollte das nicht glauben. „Nein, du hast doch gelernt und studiert. Du musst doch diese Arbeit nicht machen. Ich bin ungelernt und kann sonst nichts.“ Ich sagte aber: „Doch, ich will nicht lügen, ich mache genau die Arbeit, die du machst. Einen Unterschied gibt es aber.“ Und sie fragte: „Was denn?“ „Was du in einem Monat spülst, das spüle ich in einem Tag. Das ist der Unterschied.“ Puschba wollte mir immer noch nicht glauben. Irgendwann legte ich den Hörer auf und musste auf die Arbeit.

Freitags und samstags war meistens sehr viel zu tun. Da fragte mich Hosé, ob ich heute länger machen könnte, weil es sehr viele Tischreservierungen gab. Ich meinte: „Ja, okay. Ich kann dann aber nicht mit dem Bus fahren.“ „Dann fahre ich dich mit meinem Auto.“ bot Hosé an.

Hosé bestellt für sich ab und zu Bier. Und dann bestellte er auch Bier für mich und manchmal auch zwei. Es waren halbe Liter in einem Glas. Die habe ich dann auch gerne getrunken. Und, wenn ich zwei Bier getrunken hatte, ging die Zeit noch schneller herum. Ab 8 Uhr wurde draußen Musik angemacht. Und dann wurde der Garten immer voller und voller. Und man hörte das Kichern und laute Lachen bis in die Küche hinein.

Eines samstags kam ein junger Mann. Hosé stellte ihn mir vor. „Das ist ein Auszubildender. Der hilft jetzt in der Küche und macht eine Ausbildung als Koch.“ Das war gut für mich. Zwischendurch half er, das Gemüse zu schnipseln. Wenn er Zeit hatte, spülte er auch mit und räumte die Teller ein. Das tat mir auch gut.

Eines Tages standen der Chef und seine Frau in der Küche und fragten mich, ob es mir gut ginge. Ich antwortete: „Alles klar.“ Und dann sagte der Chef: „Ich will gerne nach Indien in den Urlaub fahren, aber meine Frau will das nicht.“ „Warum will sie das nicht?“ fragte ich. „Ja, sie hat Angst vor Schlangen. Ich lachte: „Die Schlangen laufen nicht auf den Straßen herum.“ Seine Frau meinte aber: „Nein, nein, ich habe einen Dokumentarfilm über Indien gesehen. Die Leute beten die Schlangen an. Und ich habe da auch einen Rattentempel gesehen. Tausende Ratten liefen in einem Tempel herum und die Leute waren mitten darin. Das ist unmöglich. Da will ich nicht hin. Die Leute haben sogar die Ratten gefüttert.“ In der Zeitung hätte sie gelesen, dass in Indien weniger Menschen an Unfällen sterben als an Schlangenbissen. Sie machte ein sehr ängstliches Gesicht und schaute mich so an, als wenn ich in einer Hand eine Schlange hielt und in einer anderen eine Ratte. So schaute sie mich an.
Ich versuchte, ihr zu erklären, dass es in Indien so etwas nicht passiert. Sie wehrte aber mit beiden Händen ab. „Nein, nein, nein. Da gehe ich nicht hin. Ich bin doch nicht lebensmüde. Ich bin doch nicht verrückt. Ich gehe nicht dahin.“ Dann erzählte sie mir: „Lieber gehe ich nach Kanada. Da möchte ich nach Alberta. Es liegt dort viel Schnee und da will ich gerne Ski fahren.“ Ihr Gesicht klarte freudig auf. In ihren Augen sah ich schon den blauen Himmel und den weißen Schnee.

Sie kamen auf ein neues Thema. „Wer arbeitet morgen am Freitag draußen?“ Der Auszubildende, der Maik, war auch gerade in der Küche. Und der Chef fragte mich: „Ist der Maik in Ordnung?“ Ich antwortete: „Ja, der Maik ist ein guter Junge. Er arbeitet gut und er hilft mir auch, wenn ich viel Arbeit habe.“ Beide freuten sich darüber, weil ich Maik gelobt hatte.

Später schaute der Chef wieder herein. Er zeigte mit dem Finger auf mich und fragte: „Du, arbeitest du draußen?“ Ich meinte: „Ja, ich kann morgen draußen arbeiten und die Stühle sauber machen und die Tische abwaschen, was ich jeden Tag mache.“ Der Chef sage: „Nein, willst du draußen arbeiten? Bedienung!“ Ich fragte auf Englisch: „As waiter?“ Er sagte: „Ja“ – „Ich kann doch nicht so gut Deutsch sprechen.“ Er meinte: „Egal. Du kannst auch Englisch sprechen.“ Und er fuhr auf Englisch fort: „You can speak English very well. Tomorrow you will come at four o‘ clock – four o‘ clock – and start to work. Okay?“ Ich sagte: „Ja, okay.“ Dann sprach er wieder Deutsch: „Du musst saubere Klamotten anziehen – am besten schwarze Hose, weißes Hemd und saubere Schuhe. Dann kommst du morgen bitte pünktlich um 4 Uhr. Du musst draußen arbeiten.“ Ich war erstaunt Was sollte ich denn machen? „Ja, gut.“ „Ja, okay.“ Und schon war er wieder weg.

Und noch einmal schaute er herein und lachte, wie er immer so anzüglich lachte. „Noch etwas Singh. Draußen arbeiten auch viele schöne Mädchen. Vielleicht findest du die eine oder andere für dich, die du mit nach Hause nehmen kannst.“ Und er lachte laut. Seine Frau stand daneben und klopfte ihm auf die Schulter: „Lass den Singh in Ruhe, komm mit.“

Auf der einen Seite freute ich mich. Vielleicht ist ja draußen bessere und saubere Luft. In der Küche war es immer ziemlich warm. Auf der anderen Seite machte ich mir Sorgen. Ich hatte ja keine Arbeitserlaubnis. Wenn mich da einer sieht, dann habe ich den Salat und kann Ärger bekommen. Ich hatte ihn auch gar nicht gefragt, wie viel Geld ich bekomme. Vielleicht bekomme ich ja nur Kommission und nicht den Stundenlohn. Aber der Chef gab dem Koch klare Anweisung. „Der Singh wird morgen draußen arbeiten und der Maik spült morgen.“

Wie gewöhnlich machte ich meine Arbeit fertig und fuhr nach Hause. Dort lag ich im Bett und überlegte: „Mm, ich habe keine besonderen und sauberen Sachen zum anziehen. Welche Hose ziehe ich denn an? Was mache ich denn?“ Dann stand ich wider auf und stopfte meine zwei Hosen und die Hemden in die Waschmaschine, damit ich morgen etwas davon anziehen könnte.

Mit gemischten Gefühlen stand ich früh auf. Ich bügelte meine Hose und mein Hemd und polierte die Schuhe. Wie immer stand ich dann pünktlich im Gartenhaus. Zuerst ging ich in die Küche. Aber Hosé sagte: „Du arbeitest heute nicht hier. Du gehst jetzt nach draußen.“ Und eine Frau rief mich auch schon herbei: „Der Chef hat gesagt: Du arbeitest heute draußen.“

Die Frau trug eine beige Hose und eine schwarze Bluse. Sie war um die 50 und hatte einen sehr scharfen Blick. Ich sollte zu ihr kommen. Als ich dann vor ihr stand, schaute sie mich mit ihren scharfen Augen an. Sie musterte mein Gesicht und machte sich stramm dabei mit ihrer Brust nach außen. Sie eröffnete mir, dass sie verantwortlich sei für alle Kellner. „Hast du das verstanden?“ Ich antwortete: „Nicht so gut.“ Dann wiederholte sie es und sagte es auch teilweise in Englisch. Ich hatte verstanden, dass sie die Chefin der Kellner sei.
Und sie sagte: „Wenn du fertig bist heute Abend, kommst du mit deinem Portemonnaie zu mir und dann rechnen wir alles ab.“ Es waren noch drei Mädchen und ein junger Mann dabei. Sie gab mir ein Portemonnaie in die Hand und ließ es mich öffnen. Ich machte es auf und sollte das Geld zählen. „Da sind 50 Mark drin.“ Ich schaute nach. Für 20 Mark war Kleingeld darin und ein 20-Markschein und ein 10-Markschein. Sie stellte mir Peter vor: „Das ist der andere Kellner. Er heißt Peter und er geht mit dir nach draußen und erklärt dir, wie alles abläuft.“ Ich sagte „Ja“ und das war es.

So ging ich mit Peter nach draußen. Ich sagte ihm auch, dass ich nicht so viel Deutsch sprechen kann. Aber Peter war ziemlich freundlich. „Das ist nicht schlimm. Wenn du Englisch sprichst oder Französisch oder Italienisch oder Spanisch, ist das egal. Unsere Vorarbeiterin ist eine Italienerin. Das ist egal. Wichtig ist, du sprichst eine Sprache.“ Eine von den Mädchen, die mit nach draußen gekommen waren, meinte: „Wir machen das so, wenn wir draußen arbeiten: Du sprichst Englisch und wir sagen alles auf Deutsch.“ Und sie fragte: „Sind wir einverstanden?“ Und ich sagte: „Ja.“ Und sie meinte: „Dann können wir uns doch gegenseitig die Sprache beibringen.“

Peter erklärte mir: „Wenn Gäste kommen, musst du ihnen eine Menükarte vorlegen. Dann fragst du sie, was sie trinken möchten. Jeder Tisch hat eine Nummer. Wenn sie etwas bestellen, nimmst du einen Zettel und schreibst das auf. Dann gehst du zur Bierbar und sagst dort, dass sie die Getränke fertig machen sollen. Mit den Getränken gehst du dann wieder zum Tisch. Schau dir genau die Gesichter der Leute an, wenn du dir den Tisch nicht merken kannst. Für die Getränke gibst du jedem einen Deckel und fragst zugleich, ob sie getrennt zahlen oder zusammen. Das kannst du alles auch ruhig in Englisch fragen. Wenn sie getrennt zahlen, machst du einen Strich auf jeden Deckel. Wenn sie zusammen zahlen, alles auf einen Deckel. Und du musst aufpassen, ob das Cola oder Bier ist. Cola machst du auf die eine Seite vom Deckel und Bier auf die andere.“

Peter erklärte es mir so schnell, dass ich das gar nicht alles verstand. Nur ungefähr bekam ich es mit. Dann zeigte er mir eine Preisliste. „Wenn sie am Ende sagen, dass sie zahlen wollen, verschaffst du dir erst einen Überblick und dann fragst du sie, was sie alles getrunken haben. Die Leute sind ehrlich. Die sagen dir schon, wenn du das eine oder andere Getränk zu wenig aufgeschrieben hast. Das Geld, das du bekommst, – auch das Trinkgeld – tust du alles in deine Tasche hinein.“

Peter bemerkte, dass ich nervös war. Und er meinte: „Warte einen Moment. Ich besorge was.“ Ich fragte mich, was er denn jetzt holen wollte. Er nahm mich auf die Seite und hatte zwei große Bier in der Hand. Und er sagte: „Trink du eines und ich trinke eines und dann sehen wir mal weiter.“ So schnell habe ich noch nie in meinem Leben ein Glas leer gemacht. Aber das Bier war kalt und schmeckte auch gut. Und Peter sagte: „Diese 8 Tische gehören uns heute. 4 Tische hast du von 22 bis 25.“ Ich überlegte, wie ich das schaffte, mir die Tische zu merken. Als Eselsbrücke dachte ich an die Sektoren meiner Stadt Chandigarh. In jedem Sektor gab es eine Besonderheit. So verknüpfte ich die Tische mit diesen Sektoren und ich stellte mir vor: „Am Tisch 22 ist ein großer Flohmarkt, 23 wohnt eine Tante von mir, 24 liegt eine große Tempelanlage und in 25 befindet sich der Friedhof.“ So teilte ich die Tische ein, um mir zu merken, wer etwas wo bestellt hat.

Und Bums hatte ich den ersten Tisch. Die Gäste sagten etwas in Deutsch. Ich sagte: „Eher in Englisch.“ Es waren junge Leute und sie hatten viel Spaß. Sie sprachen Englisch und auch Deutsch dazwischen. Aber ich habe es schon richtig verstanden. Wie der Wirt es mir gesagt hatte, ging ich wieder zum Tisch, als das Bier noch nicht zu Ende war. Und ich fragte, ob sie noch etwas trinken wollten. So habe ich meine vier Tische genau beobachtet. Bevor ein Getränk leer war, ging ich wieder hin. Als sie fertig waren, bezahlten sie und gaben auch Trinkgeld. Darauf hatte ich gar nicht geachtet. Alles tat ich in mein Portemonnaie.

An diesem Tag war es draußen warm und ich war voll in Action. Die ganze Zeit lief ich hin und her. Und das Gartenhaus wurde noch voller. Die Tische waren voll besetzt. Zusätzlich wurden noch Stehtische geholt. Plötzlich hatte ich keine 4 Tische mehr, sondern sogar 8 Tische. Ich schaute die Leute genau an und habe mir ihr Gesicht gemerkt. Da war eine blonde Frau mit Löckchen auf der Stirn. Eine andere war etwas dicker. Ein Mann hatte dunkle Haare.

Die Leute bestellten viele Getränke und bezahlten. Alles Geld steckte ich ein. Mein Portemonnaie wurde immer schwerer. Und dann fing die Musik an zu spielen. Es wurde langsam dunkel. Junge Männer und junge Frauen nahmen sich in den Arm. Manche haben geschunkelt oder getanzt. Als es dunkel war, begannen manche auch Whisky oder Wodka zu bestellen. Peter sagte mir: „Wenn jemand Essen bestellt, soll ich ihm Bescheid sagen. Am besten sollen sie in das Restaurant rein gehen, wenn sie essen wollen. Hier draußen gibt es nur Getränke.“

Später kam Peter zu mir als es richtig dunkel geworden war und die Leute auch schon weniger wurden. „Singh, komm mit.“ Ich ging mit. Da war noch eine Kellnerin und der Peter und die hatten drei Gläser in der Hand. Das war Wodka. Sie machten Prost mit mir und ich kippte auch schnell den Wodka herunter und ging wieder an meine Arbeit. Ich war sehr beschäftigt und lief hin und her. Die Atmosphäre war dabei sehr schön.

Ich bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit vergangen war. Als ich auf die Uhr schaute, war es schon viertel nach 10. Dann wurde es 11 Uhr und die Leute wurden immer weniger. Manche saßen aber immer noch da. Es waren einige Gruppen und sie unterhielten sich sehr laut. Ich kann mich gut daran erinnern, dass fast jeder von ihnen mir zwischen 3 Mark und 5 Mark Trinkgeld gegeben hat. Um 12 Uhr waren fast alle weg.

Wir begannen, die Tische und die Stühle zusammen zu stellen. Mein Portemonnaie gab ich der Chefin an der Theke ab, der Frau mit dem scharfen Sinnen und dem scharfen Blick. Auf meinem Portemonnaie stand die Nummer 9. Das ist meine Glückszahl. Die Chefin und ein anderes Mädchen begannen zu zählen. Ich nahm ein Bier, setzte mich hin und trank es langsam aus. Als sie es abgerechnet hatte, kam die gute Frau zu mir und sagte: „Sehr, sehr gut. Für den ersten Tag sehr gut. Für 1.200 Mark hast du heute verkauft. Das ist ja klasse. Und hier ist dein Trinkgeld.“ Ich konnte es nicht fassen und schaute es an. Da sagte sie: „128 Mark Trinkgeld hast du bekommen.“ Ich war glücklich und dachte: „So viel habe ich nie in meinem Leben in der Küche verdient. Das ist einwandfrei. Hier ist die Arbeit schöner und besser.

Als ich dann das Restaurant verließ, stellte ich fest, dass kein Bus mehr fuhr. Was sollte ich machen? Und ich sagte mir: „Heute hast du etwas Geld verdient.“ Und ich lief zum Taxi-Stand und ich fragte einen Fahrer: „Ich will nach Eiserfeld fahren. Was kostet das? Du brauchst ja nicht deinen Zähler laufen zu lassen.“ Dann meinte er: „Okay, ich wohne sowieso in Eiserfeld und wollte ohnehin Feierabend machen. Gib mir 20 Mark und dann ist es gut.“ Ich war einverstanden und stieg in das Taxi ein und er fuhr mich fast bis nach Hause.
Heute war ich wirklich glücklich und sehr stolz auf mich, weil ich Geld verdient habe. Und noch stolzer war ich, weil ich sehr viel verkauft hatte. Das war für mich noch wichtiger. Als ich am nächsten Tag aufstand, war meine Hemmschwelle, draußen zu arbeiten und mit den Leuten zu reden, gefallen. Ich hatte an meiner Arbeit Spaß gefunden.

Wie immer kam ich pünktlich – schon eine halbe Stunde vorher – dort an. Der Peter war schon da. Jetzt war ich mit Peter schon etwas befreundet. An diesem Tag arbeitete ich wieder mit ihm zusammen an den selben Tischen. Zwischendurch machte er immer ein Zeichen, dass ich mitkommen sollte. Dann holte er ein Bier und wir tranken zusammen Bier.

Am Freitag, Samstag und Sonntag habe ich so gearbeitet. Und ich hatte in drei Tagen 422 Mark Trinkgeld bekommen. Das war sagenhaft. Am Montag und Dienstag hatte ich frei.

Am Mittwoch bügelte ich meine Hose und dann stand ich wieder da. Am Mittwoch schaute mich der Chef von oben bis unten an und dann sagte er: „Oh Scheiße, ich habe total vergessen, dir zu sagen, dass du am Mittwoch nicht draußen arbeiten sollst. Da sollst du in der Küche arbeiten. Hosé braucht dich. An diesem Wochenende, als du nicht da warst, ist er fast durchgedreht. Gut, heute bist du anders angezogen. Dann verbleiben wir mal so, dass du heute am Mittwoch draußen arbeitest und morgen kommst du wieder für die Küche.“ Mein Traum, draußen zu arbeiten und viel Geld zu verdienen war zerbrochen. Aber ich dachte, vielleicht ist das ja auch für etwas gut. Sie wissen jetzt, dass ich draußen auch arbeiten kann. Und, wenn sie mich brauchen, kann ich sofort dort anfangen.

Mittlerweile konnte ich auch schon ganz gut in der Küche arbeiten. Ich konnte verschiedene Salate machen. Ich konnte Hosé helfen und die kleinen Vor- und Nachspeisen zubereiten. Deswegen war er froh, dass er so eine Hilfe an mir hatte. Hosé war sehr zufrieden mit mir. Wenn er Bier bestellte, fragte er mich stets, ob ich auch eines wolle. Auch bereitete er schon mal Essen für mich und es schmeckte mir sehr gut in der Art, wie er es kochte.

Weil mir die Arbeit gefiel, verging die Zeit schnell. Ich war auch nicht genervt, obwohl viel zu tun war, weil ich es gerne tat. Am Ende des Monats, wenn ich mein Geld bekam, konnte ich es nicht zur Bank bringen und musste es zuhause lassen. Jeden Tag schaute ich nach, ob mein Geld noch da wäre. Es wohnten ja viele mit mir zusammen im Heim und ich wollte nicht, dass mein Geld weg ist. Deshalb kontrollierte ich bei jeder Gelegenheit, ob mein Geld da liegt.

Eines Tages war wieder sehr viel zu tun und Hosé sagte, ich sollte Hähnchenbrust aus dem Kühlhaus holen. Ich lief also mit meiner grünen Schürze und meiner weißen Mütze die Treppe herunter zum Kühlhaus. Und neben dem Kühlhaus lagen ja die Toiletten für die Gäste. Ich nahm den Karton mit der Hähnchenbrust, machte mit dem Fuß die Tür zu und wollte zurück. Was sehe ich da? Mein Herz blieb stehen und ich schaute voller Entsetzen. Frau Stricker aus dem Ausländeramt stand vor mir. Sie wollte auf die Toilette und schaute mich ganz genau an. Ich wandte meine Augen ab und tat so, als ob sie mich nicht gesehen hätte. In Indien sagt man: „Wenn die Katze kommt, macht die Taube die Augen zu und denkt, die Katze wäre weg.“ Genau so ein Fall war es auch bei mir. Frau Stricker schaute mich nochmals an und sagte schon von hinten: „Gute Abend, Herr Singh!“ „Guten Abend!“ antwortete ich und war schnell weg.

Da bekam ich richtig Angst und fragte mich: „Was mache ich denn jetzt?“ Und ich überlegte, ob ich den Koch davon informieren sollte oder nicht. Schließlich blieb ich einfach da. Aber die Angst nahm zu und eigentlich wollte ich nach Hause. Und ich dachte: „Nicht dass sie die Polizei anruft und sie mich holen. Dann bekomme ich Strafe. Zurzeit wird mein Visum alle 6 Monate verlängert. Ich sehe schon, dass ich jetzt jede Woche im Ausländeramt sitzen muss, weil sie mir immer nur eine Woche Verlängerung gibt. Meistens bekommen die Kollegen, die sich außerhalb Siegens aufhalten oder bei der Arbeit erwischt werden, solche Strafen. Sie werden dann schikaniert und richtig stranguliert. Manchmal bekommen sie sogar nur 3 Tage Verlängerung.“

Deshalb sagte ich dann zu Hosé, dass ich um 10 Uhr nach Hause wollte. Und er meinte: „Heute ist nicht viel zu tun. Jetzt kannst du gehen.“ Ich wollte nur noch nach Hause. Und ich wollte an diesem Tag auch kein Bier mehr trinken.
Später dachte ich: „Es kann doch sein, dass Frau Stricker etwas getrunken hat und den Vorfall vergessen hat. Vielleicht hat sie mich auch nicht so genau erkannt.“ Aber eine innere Stimme sagte mir: „Du kannst dich nicht betrügen. Sie hat dich genau gesehen und ‚Guten Abend, Herr Singh“ gesagt. Die hat ein gutes Gedächtnis und weiß ganz genau, wer das ist. Und genau so ist es passiert.
Ein paar Tage später bekam ich einen Brief. Darin stand, ich sollte Donnerstag Morgen früh ins Ausländeramt kommen. Am Donnerstag um 8 Uhr. Da wusste ich: „Es geht kein Weg daran vorbei. Sie hat mich gesehen. Das ich Fakt. Wenn ich jetzt lüge, dass ich nicht da war, ist das auch schlecht. Ich muss mich der Sache auf jeden Fall stellen.“

Endlich hatten wir Donnerstag. Ich fand mich pünktlich um 8 Uhr im Ausländeramt ein. Um 8 Uhr öffnen sie ihr Büro und es standen auch schon 3 Leute dort. Ich überlegte: „Wenn sie mich fragt, wie soll ich ihr dann antworten?“ Aber schon war ich dran. Frau Stricker mustere mich ganz genau. „Herr Singh, habe Sie dort gearbeitet? Sie wissen, dass Sie keine Arbeitserlaubnis haben.“ Ich antwortete: „Ja, das weiß ich.“ „Warum haben Sie dann da gearbeitet?“ Ich sagte: „Ich habe kein Geld mehr. Es war Ende des Monats und deshalb habe ich da gefragt.“ Und sie fragte: „Hat der Chef gefragt, ob Sie eine Arbeitserlaubnis haben?“ „Ja, er hat gefragt,“ antwortete ich. „Ich habe ihm gesagt, ich wäre ein Student. Bei der nächsten Gelegenheit bringe ich meine Arbeitserlaubnis mit. Es war mein erster Tag, dass ich da gearbeitet habe.“ Der Chef wusste nichts davon, dass ich keine Arbeitserlaubnis habe.“
Sie schaute mich ganz genau an. Aber ich ließ mich nicht nervös machen und blieb dabei: „Ich habe nur einen Tag zur Probe dort gearbeitet.“ Und sie fragte: „Gehen Sie noch einmal dahin, um da zu arbeiten?“ Ich antwortete: „Ich glaube es nicht. Aber was soll ich denn tun, wenn ich kein Geld habe?“ Sie entgegnete scharf: „Sie dürfen nie irgendwo arbeiten. Sie haben keine Arbeitserlaubnis. Haben Sie das verstanden?“ „Ja, das ist in Ordnung. Aber was soll ich denn machen, wenn ich kein Geld mehr habe?“ „Trotzdem dürfen Sie nicht arbeiten.“

Schließlich erklärte ich mich einverstanden. Dann öffnete sie meine Akte und machte einen Vermerk darin. Sie sagte, sie wolle mit ihrem Vorgesetzten reden und sich dann bei mir melden. Ich hatte den Eindruck, dass die Sache glimpflich abgelaufen wäre. Sie schien mir abgekauft zu haben, was ich ihr erzählt habe.
Am nächsten Tag war ich natürlich wieder auf der Arbeit. Und ich überlegte: „Normalerweise wäre es korrekt, dass ich dem Koch und dem Chef Bescheid sage.“ Und ich tat es. Ich erzählte Hosé den Vorfall: „Als ich im Keller unten war, hat mich eine Frau vom Ausländeramt gesehen. Ich habe mit ihr geredet. Aber ich denke, es wird keiner erfahren.“

Eine Stunde später kam der Chef zu mir und fragte mich, wie das abgelaufen sei. Ich berichtete ihm, was Frau Stricker genau gefragt habe und dass ich ihm gesagt hätte, ich wäre Student und hätte eine Arbeitserlaubnis. „Das hast du gut gemacht!“ sagte er. Da könnte er glimpflich aus der Sache herauskommen. Er nahm mich mit und zeigte mir eine Außentür im Keller. Und er meinte: „Wenn irgendetwas passiert, kannst du da raus und verschwinden.“ Und er zeigte mir einen Weg, der von der Hinterseite des Gebäudes weg führte.

Zwei Tage später kam der Chef und nahm mich wieder auf die Seite. „Wir machen das so, dass du jetzt um 5 Uhr kommst. Bei der Arbeit, die du ab 2 Uhr draußen gemacht hast, ist mir etwas mulmig. Es soll dich draußen niemand beim Arbeiten sehen. Du arbeitest ab jetzt nur in der Küche. Das Stühlestellen und Putzen draußen macht jetzt eine andere Frau.

Jetzt arbeitete ich also nur in der Küche. Wenn ich Zeit hatte, putzte ich sogar die Fliesen in der Küche. Und ich half Hosé noch mehr in der Hoffnung, dass er beim Chef ein gutes Wort für mich einlegt, damit ich dort noch länger arbeiten konnte. Ich bekam zunehmend einen Druck im Kopf. Jedes mal, wenn Hosé mich runter schickte, um etwas zu holen, steckte ich erst den Kopf durch die Tür. Ich schaut links und rechts und lief dann schnell los. Unten wartete ich hinter der Tür des Kühlhauses und lauschte, ob ich Schritte hörte. Wenn ich sicher war, dass sich dort keiner befand, dann ging ich zurück. Um 6 Uhr schon fragte ich Hosé, was er alles brauchte, und holte möglichst viel, während noch nicht so viel Betrieb war.

Außerdem hatte ich eine Idee bekommen. Ich kaufte mir eine Mütze und eine Brille. Die deponierte ich im Keller. Wenn ich abhauen musste, könnte ich die aufziehen, damit die Leute draußen mich gar nicht erkennen. Wenn ich heute daran denke, muss ich über mich selber lachen.

Wenn man in einer Situation von der Armut gezwungen wird, macht man, auch wenn man es gar nicht will, sonderbare Sachen. Eine sonderbare Atmosphäre bringt einen dazu, sonderbare Sachen zu tun. Im eigenen Lebensfilm spielt man verschiedene Rollen. Manchmal sind sie glückliche Rollen und manchmal traurige Rollen. Manchmal sind sie auch lächerlich und manchmal schämt man sich auch für sie. Man muss zu verschiedenen Mitteln greifen, um sein Ziel mit Erfolg zu erreichen.

Sich in einer solchen Situation angemessen zu verhalten, ist sehr sehr schwer. Man versucht auch, keiner Person zu schaden oder sie in eine schlechte Lage zu bringen. Ich wollte Frau Stricker nicht belügen und ich wollte auch dem Restaurantbesitzer keinen Schaden zufügen. Deshalb machte ich das so. Und der Rest ist in der Hand von Gott.

Jetzt weiß der Chef auf jeden Fall, dass ich keine Arbeitserlaubnis habe. Wenn er mir dennoch die Arbeit gibt, ist es gut. Und, wenn er sie mir nicht gibt, ist es auch gut. Jetzt war es allerdings so, dass ich schon weniger arbeiten konnte. Draußen, wo ich gehofft hatte, so viel Geld zu verdienen, konnte ich sowieso nicht mehr arbeiten. Und die Frau, die draußen jetzt die Stühle und Tische fertig machte, begann auch, in der Küche zu arbeiten. Ich merkte, dass sie meine Arbeit bei Hosé als minderwertig darstellten. Sie hieß Gisela. Als Gisela zwei Wochen in Urlaub war, musste ich auch draußen im Garten wieder alles abwaschen und vorbereiten. Nach ihrer Rückkehr durfte ich wieder nur in der Küche arbeiten.

In diesen Tagen waren Wahlen in Deutschland und die SPD kam an die Regierung. Und sie haben ein Gesetz verabschiedet, dass Asylberwerber leichter eine Arbeitserlaubnis bekommen können. Sobald ich das erfahren hatte, bin ich mit meinen Kollegen zu Frau Stricker in das Ausländeramt gegangen. Und tatsächlich bekam ich in meinen Ausweis einen Stempel. Darauf stand, dass ich legal arbeiten darf. Ich musste ein Formular vom Arbeitsamt abholen und musste das dort ausfüllen lassen, wo ich Arbeit gefunden hatte. Und dann musste ich es wieder beim Arbeitsamt abgeben. Und sie prüften es nach, ob man dort arbeiten darf oder nicht. Die Frau dort erklärte mir, dass die Deutschen an erster Stelle kommen. An zweiter Stelle kommen die Europäer. An dritter Stelle sehen die Ausländer, die in Deutschland eine feste Aufenthaltserlaubnis haben. An vierter und letzter Stelle kommen die Asylbewerber. Wenn der Arbeitgeber niemand anderes gefunden hat und die Arbeit minderwertig ist, dann dürfen die Asylbewerber diese Arbeit antreten.

Sobald ich diese Erlaubnis erhalten hatte, fing ich an, richtige Arbeit zu suchen. Mit meinem pakistanischen Kollegen ging ich überall in die Firmen hinein und fragte nach Arbeit. Auch zu meinem Chef ging ich mit meinem Ausweis und sagte ihm: „Jetzt habe ich eine Arbeitserlaubnis. Jetzt kann ich jeden Tag arbeiten.“ Er war aber nicht begeistert davon zumal ich jetzt regelmäßig arbeiten wollte. Ich hatte das Gefühl, er wollte es bei zwei bis drei Tagen belassen.

Und so fragte ich bei allen Firmen in der Nähe. Manche meinten, ich spreche kein Deutsch. Andere fragten, ob ich einen Beruf gelernt hätte oder eine technische Ausbildung habe. Und manche haben einfach meinen Ausweis kopiert und meine Adresse und Telefonnummer aufgeschrieben und gesagt: „Wenn wir Bedarf haben, melden wir uns.“

Meine Arbeit im Restaurant setzte ich aber fort an den zwei bis drei Tagen in der Woche. Einmal holte mich der Chef und sagte, dass ich jetzt zwei Wochen Urlaub hätte. Und dann sollte ich wieder kommen und nach dem Plan fragen. Dann wollte er mir sagen, wann ich arbeiten kann. Ich merkte schon, dass die Frau, die jetzt immer die Tische draußen machte, jetzt auch in der Küche arbeitete. Und die Saison ging langsam zu Ende. Und vielleicht hat der Chef auch wegen der anderen Sache mit Frau Stricker Angst bekommen. Auf der anderen Seite dachte ich: „Ich hatte ja eine gute Zeit im Gartenhaus und es ist hier ganz gut gelaufen. Jetzt habe ich in den kommenden zwei Wochen noch mehr Gelegenheit, Arbeit zu suchen.“

Ich hatte noch eine Idee. Überall, wo ich eine Baustelle sah, fragte ich einfach auf der Baustelle, ob sie Arbeit für mich haben. Manche gaben mir eine Visitenkarte. Andere haben mir eine Telefonnummer aufgeschrieben. Wir sollten in dem Büro anrufen. Ein Bauarbeiter, der wie ein Vorarbeiter aussah, sagte mir, ich solle ihm meine Hand zeigen. Ich fragte mich: „Was will der denn mit meiner Hand?“ Er packte aber meine Hand, sah sie sich an und sagte: „Das sind keine Arbeiterhände. Du kannst nicht auf dem Bau arbeiten. Die anderen Arbeiter, die dabei standen haben laut dazu gelacht und gesagt: „Lass das sein!“. Mein Freund, der in Pakistan studiert hatte, meinte: „Lass die ruhig lachen und mach dir keine Sorgen. Die Zeit wird kommen, da werden wir den Leuten, die jetzt über uns lachen, zeigen, was wir alles können. Mach dir keinen Kopf und komm mit. Wir suchen eine andere Arbeit.“

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