Ich erzähle eine Geschichte aus meiner Jugend, als ich 22 war und zur Universität ging. Ich habe den Master in Political Science an der Punjab University gemacht. Das war für mich eine harte Zeit, weil ich viel lernen musste. Ich wollte einer von den Besten sein, um überhaupt später etwas erreichen zu können.
Es war ein sehr kalter Winter, ein herzerweichender Winter. Im Haus gab es keine Heizung. Ich musste mich mit einer Decke wärmen, um überhaupt an meinem Schreibtisch sitzen zu können und zu lernen. Die Tage der Prüfungen kamen näher und ich war sehr angespannt. Mit Biss und großem Fleiß habe ich gelernt, um mein Ziel zu erreichen. Das erste Jahr in der Universität habe ich eine 1,5 gehabt und ich wollte unbedingt eine volle 1 bekommen, um auf der Rangliste weiter nach oben zu kommen.
Morgens um 9 bin ich in die Uni gefahren und habe in der Bibliothek gesessen. Ich konnte nicht alle Bücher kaufen. Deshalb saß ich in der Bibliothek bis zum Abend und habe dort die Bücher gelesen und aus ihnen Notizen gemacht. Und dann kam ich mit einem Stapel geliehener Bücher nach Hause in mein Zimmer. Es war ein ganz kleines Zimmer, wo ich mich zurücklehnen konnte und des Abends anfangen konnte, weiter zu lernen. Am Tag fiel dort manchmal der Strom aus und das Licht war weg. Abends nach 8 Uhr war das Licht meistens wieder da, um sich hinzusetzen, zu lernen und vernünftig zu lesen.
Ich hatte allerdings eine Schwierigkeit. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine „Sie“ gehabt. Sie wohnte unmittelbar in der Nähe und konnte schnell zu mir kommen. Und abends, wenn es keiner sehen konnte, kam sie. Und wenn sie dann da war, hatte ich das Gefühl, nicht von ihr los zu kommen. Ich hatte keine Kraft mehr, sie los zu lassen. Sie war so attraktiv und schön. Ich konnte mich aus ihren Armen nicht befreien. Wenn ich in ihren Armen lag, vergaß ich die ganze Welt und wusste nicht mehr, wo ich bin. Erst, als die Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen, bin ich aufgestanden. Und ich war verwundert, wie schnell eine so schöne Nacht vorüber gehen konnte. Und manchmal kam meine Mutter morgens und hat mich geweckt, sodass ich mich richtig erschrocken habe. Und sie hat gesagt: „Raja, du musst jetzt aufstehen und zur Uni gehen.“ Als meine Mutter wieder aus dem Zimmer war, habe ich mich umgeschaut und bemerkt, dass sie schon verschwunden war. Ich sah mich um und bemerkte, dass die Bettdecke sehr zerknittert war und die Bücher überall herum lagen. Auch meine Tasse, aus der ich abends Tee getrunken habe, lag in der Ecke. Was war ich beruhigt, dass meine Mutter gar nicht alles richtig mitbekommen hatte.
Wenn sie da war, habe ich mich wie auf einer gigantischen Schaukel gefühlt. Die riesige Schaukel hing mit ihren zwei Seilen an einem Baum. Mit ihr konnte ich bis zum Himmel fliegen. Es war so ein schönes Gefühl, als wäre ich bis zum Regenbogen geschwungen.
Und als ich dann wieder zuhause war und in meinem Zimmer saß, habe ich mich wieder tief in meine Bücher vertieft und lernte Abschnitt für Abschnitt. Ich hatte mir dafür einen Plan gemacht. Darauf waren die Termine für die Prüfungen und die Inhalte, die ich dafür erarbeiten musste. So bin ich vorgegangen und habe das, was ich lernen musste, jeweils aufgeschrieben. So gegen 11 Uhr war es damit vorbei. Ich konnte mich nicht mehr wehren und sie kam ganz heimlich, still und leise herein geschlichen. Sie hat ihre Schuhe ausgezogen, damit keiner sie bemerkte. Und ich habe versucht, mit ihr zu reden und mit mir selber zu reden: „Ich habe die Prüfungen. Kannst du mir nicht verzeihen?“ Ich versuchte, mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren und sie abzuwimmeln. Aber ich schaffte es nicht. Als sie vor mir stand, habe ich wieder die ganze Welt vergessen und bin wieder in ihre Arme hinein gefallen. Ich war ganz erfüllt von ihrem Geruch, dass ich nichts anderes riechen konnte. Ihr Geruch war so besonders, dass ich wieder in diese ganze Liebe hinein fiel.
Eines Tage, als mein Vater des Nachts von seiner Arbeit kam, hat er mich so gesehen, wie ich da in ihren Armen lag. Er war sehr sehr verärgert, hat aber nichts gesagt. Erst am Morgen als mich die Sonne weckte und ich mich für die Uni fertig machte, hat er mich gerufen. Ich ahnte schon, dass er etwas bemerkt hatte. Und so war es. Er war fürchterlich ärgerlich und hat mich ausgeschimpft und gesagt: „Ich habe für deine Uni und deine Bücher Geld gegeben. Du weißt, dass ich hart arbeiten muss, um deine Uni überhaupt zu bezahlen. Du musst dich schämen, wie du da gestern schon um 11 Uhr gelegen hast. Das kann ich mir nicht länger ansehen. Wenn so etwas passiert, weiß ich nicht, was ich mit dir machen soll.“ Er war sprachlos. Ich sah seine Augen und erkannte, dass er so sehr auf mich gehofft hatte, dass ich lerne und ihm helfen kann, wenn er in Rente geht. Deshalb hat er sich etwas überlegt. Er wollte in meiner Nähe sein Bett aufschlagen und unbedingt dort schlafen. „Ich sehe keine Zukunft mehr, wenn du so weiter machst.“
Am nächsten Tag hatte ich dann so eine Angst vor ihr. Als ich mit dem Fahrrad von der Uni nach Hause fuhr, habe ich überlegt: „Was mache ich nur?“ Ich habe gebetet, dass sie nicht mehr kommt und ich wollte ihr mitteilen, dass mein Vater mit im Zimmer ist und dass es nicht mehr geht. So habe ich dann meine Bücher genommen und wieder Notizen gemacht und gelernt. Vielleicht hatte sie Angst vor meinem Vater. Sie kam nicht. Und, obwohl ich so müde war, habe ich bis 1 Uhr vernünftig gelernt. Ich war so froh, dass ich durchhalten konnte und habe sogar aufgehört, sie zu vermissen. Und dann war es 1 Uhr. Mein Vater schlief schon und hat wirklich laut geschnarcht. So laut schnarchte er, dass man das sogar draußen hören konnte.
Das wurde zum neuen Rhythmus. Mein Vater klappte sein Bett auf, warf seine Matratze darauf und fing an, dort zu schlaffen. Ich konnte jetzt besser lernen. Manchmal hatte ich noch Furcht, dass sie vorbei kommt. Manchmal, wenn sich mein Vater gedreht hat, warf er einen Blick auf mich, ob ich noch da sitze und arbeite. Sie musste es bemerkt haben, dass er im Raum anwesend war, und kam mich nicht mehr besuchen.
In den nächsten Tagen waren meine Prüfungen. Es kamen die mündlichen Prüfungen und die schriftlichen. Und ich konnte alle vernünftig durchziehen. Am letzten Tag dieser Prüfungsphase bin ich nach Hause gekommen und habe mich auf meinem Bett hingesetzt. Ich hatte das Gefühl, dass ein Tonnengewicht von meinem Kopf herunter gefallen ist. Und ich dachte: „Heute läuft meine Uhr langsamer.“ Zuvor schien der Uhrzeiger immer schneller zu rennen. Ich meinte, überhaupt nicht hinterher zu kommen, um meine Notizen und meine Bücher zusammen zu tragen und aus ihnen zu lernen. Heute lief die Uhr langsam. Sogar der Sekundenzeiger tickte gemächlich vor sich hin. Alles war so langsam.
Und dann dachte ich: „Heute ist ja mein Vater nicht da. Vielleicht kommt sie ja vorbei. Und ich erlebe wieder die schöne Zeit, die ich mir immer so gewünscht habe.“ Aber sie kam nicht. Ich machte mir Sorgen, wo sie denn wäre. Langsam bin ich durch das Haus geschlichen. Ich wusste, wo mein Vater eine Flasche Whisky versteckt hatte. Ich war so nervös und so gespannt, dass endlich meine ganzen Träume Wirklichkeit werden sollten. Das beschwerte meinen Kopf und ich wollte dieses Gewicht los werden. Deshalb habe ich schnell zwei Gläser Whisky getrunken. Aber sie kam trotzdem nicht. Und ich wartete und wartete. Und dann roch ich ihren Duft. Ich spürte, wie sie immer näher kam. Ich war in froher Erwartung, dass ich wieder in ihre Arme fallen sollte. Ich habe vorher nie in meinem Leben gedacht, dass es so schön sein kann. Ich fühlte ihre langen goldenen Haare. Sie war so schön und bunt, meine Freunde, ich kann euch gar nicht sagen, wie schön sie war.
Aber gewiss, meine Freunde, ihr überlegt sicher schon die ganze Zeit, wer denn so schön ist. Wer ist das denn mit diesen langen Haaren und der schönen Figur. Warum kriegt der Raja so jemanden ab? Ich will euch nicht länger quälen.
„Sie“, die ich meine, – diese Schönheit – , das war mein Schlaf, meine Müdigkeit in deren Arme ich so gerne sank.
(Das Wort für „Schlaf“ heißt in Punjabi „Neend“. Neend stellt man sich als Person vor und erzählt auch den Kindern, wie sie kommt und einen in die Arme nimmt und müde macht. Neend ist in Punjabi weiblich.)